Deutschlands wichtigste Öl- und Eiweißpflanze sorgt derzeit wieder für blühende Landschaften
Wer in diesen Tagen in Deutschland unterwegs ist, kann sich dem Reiz der blühenden Rapsfelder kaum entziehen. Mit dem satten Gelb der Pflanzen, das Ende April und Anfang Mai das Landschaftsbild bestimmt, erlebt der Frühling seinen strahlenden Höhepunkt. Auf rund 1,34 Millionen Hektar, das sind etwas mehr als zehn Prozent der deutschen Ackerfläche, blüht nicht nur Deutschlands mit Abstand wichtigste Ölpflanze, sondern auch die bedeutendste Eiweißpflanze.
Rapsöl ist im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Vor rund zwanzig Jahren noch fast unbekannt in hiesigen Küchen, hat sich das Öl der Rapspflanze mittlerweile zum meistverwendeten Speiseöl entwickelt. Mit 41,1 Prozent Marktanteil liegt es weit vor Sonnenblumenöl und noch viel deutlicher vor Olivenöl. Die nur wenige Millimeter großen Saatkörner, die in Schoten heranwachsen, enthalten jedoch nicht nur Öl, sondern auch hochwertiges Eiweiß. Erfreulicherweise hat es die Natur sehr leicht gemacht, das in der Saat enthaltene Öl durch einfaches Pressen vom Eiweiß zu trennen. Eingesetzt wird das so gewonnene Rapseiweiß als Rapsextraktionsschrot bzw. Rapskuchen in Rinder-, Schweine- und auch Geflügelfutter, das aufgrund seiner Qualität stark nachgefragt ist. Ein interessanter Nebeneffekt dieser Verwendung als Futtermittel ist die Reduzierung des Importbedarfs an gentechnisch verändertem Sojaschrot um mehrere Millionen Tonnen. Die eingesparten Sojaimporte entsprechen einem Anbauumfang von rund einer Million Hektar in Südamerika. So trägt der Rapsanbau in Deutschland indirekt auch zum Schutz von Regenwäldern bei, die dem Hunger der Welt nach Sojaschrot bereits allzu oft weichen mussten.
Zur Produktion von Rapsfuttermitteln trägt in großem Maße auch der Einsatz von Rapsöl als Kraftstoff bei. 2014 wurden über 1,4 Millionen Tonnen Rapsöl für die Produktion von Biodiesel oder als reiner Rapskraftstoff verwendet. Damit wurde die gleiche Menge Mineralöl und rund 50 Prozent der von ihm verursachten Treibhausgase eingespart. Etwa 20 Biodieselfabriken veredeln derzeit in Deutschland zertifiziertes Rapsöl zu Rapsmethylester (RME), besser bekannt als Biodiesel. Da Biodiesel grundsätzlich auch aus anderen Ölen hergestellt werden kann, von denen insbesondere Palmöl von Umweltschützern sehr kritisch bewertet wird, streben die deutschen Rapserzeuger die Schaffung eines klaren Profils für Raps-Biodiesel und eine Abgrenzung zu anderen Biodieselsorten an. Besonders wichtig ist, dass der Rapsanbau hierzulande zu 100 Prozent als nachhaltig zertifiziert ist, egal, was aus der Rapssaat hergestellt wird. Wird Raps zu Biodiesel verarbeitet, durchlaufen die Verarbeitungsstufen Ölmühle und Biodieselanlage spezifische „Checklisten“. Solche Nachhaltigkeitsanforderungen, die auch in Ländern außerhalb der Europäischen Union angewandt werden müssen, gibt es nur bei Biokraftstoffen.
Die große Nachfrage nach Rapsöl vor allem für die Biodieselherstellung, aber auch nach Rapsfuttermitteln, hat dazu geführt, dass sich Raps in den letzten Jahrzehnten zu einer tragenden Säule des deutschen Pflanzenbaus entwickeln konnte. Aber nicht nur der gesicherte Absatz macht Raps für die Landwirtschaft so attraktiv. Auch unter der Erde hat die Pflanze einiges zu bieten. Denn was man nicht sehen kann, ist die meterlange und stark verzweigte Pfahlwurzel, die den tiefen Erdschichten zudem mit einer enormen Anzahl von Wurzelhaaren Nährstoffe entnimmt und den Boden ideal für die auf dem Feld nachfolgenden Pflanzen vorbereitet. Das macht der Raps so gut, dass beispielsweise Weizen, der im folgenden Jahr angebaut wird, bis zu 10 Prozent mehr Ertrag liefert. Und auch damit ist die Liste der positiven Eigenschaften und Leistungen der wichtigsten heimischen Öl- und Eiweißpflanze noch nicht zu Ende. Denn für Bienen und andere Insekten ist der Raps eine wichtige Nahrungsquelle. Bienen fliegen im wahrsten Sinne des Wortes auf den Raps, denn er ist in manchen Gegenden im Frühjahr eine unverzichtbare Nektar- und Pollenquelle, die mit 40 Kilogramm Rapshonig pro Hektar belohnt.
So schön und idyllisch der gelbe Hingucker Raps auch aussieht, für die deutschen Landwirte hat die Pflanze auch eine andere Seite und die besteht aus sehr viel Arbeit. Was kaum ein Verbraucher weiß: Raps wächst praktisch ein ganzes Jahr auf einem Feld. Exakt 11 Monate vergehen von der Aussaat im August bis zur Ernte im Juli. Und in dieser Zeit haben Landwirte alle Hände voll zu tun, um den Raps auszusäen, zu düngen und gegen Schädlingsbefall und Pilzkrankheiten zu schützen. „Zeit ist Geld und Dünger, Pflanzenschutzmittel und Kraftstoff verursachen erhebliche Kosten. Daher gehen wir Bauern nicht wahllos bei deren Einsatz vor, sondern nur bei Bedarf“, so Wolfgang Vogel, der Vorsitzende der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e. V. (UFOP). Der 1990 gegründete Verband vertritt in Deutschland die Interessen aller an der Züchtung, dem Anbau, der Verarbeitung und der Vermarktung von Raps beteiligten Landwirte, Verbände und Unternehmen.
Man sollte meinen, ein sachgerechter und überlegter Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sei selbstverständlich und ein solcher Hinweis von Seiten der Landwirtschaft nicht erforderlich. Doch Landwirte, zu denen auch Wolfgang Vogel als Chef eines Betriebes in Sachsen zählt, stellen in den letzten Jahren immer häufiger fest, dass Verbraucher einerseits immer weniger Bezug zur Landwirtschaft haben, andererseits bei landwirtschaftlichen Themen immer kritischer werden. „Es gibt wohl kaum eine andere Branche, wo der Bedarf an Informationen, Transparenz und Dialog seitens der Verbraucher derzeit so ausgeprägt ist, wie in der Landwirtschaft. Die Öffentlichkeitsarbeit entwickelt sich momentan zu einem Kernelement unserer täglichen Arbeit. Das macht zwar niemanden satt, trägt aber hoffentlich dazu bei, das Verständnis zwischen den Konsumenten und uns Produzenten nachhaltig zu verbessern“, so Vogel.
Mit einem Vorurteil kann an dieser Stelle schon einmal aufgeräumt werden. Der Rapsanbau hat in den letzten Jahren nicht zugenommen. Seit Jahren bewegt sich die Anbaufläche zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Hektar. Und obwohl man bei der Vielzahl blühender Felder den Eindruck haben könnte, dass Raps von den Landwirten in jedem Jahr aufs Neue auf einem Acker angebaut wird, ist auch das nicht zutreffend. Tatsächlich wird Raps niemals direkt hintereinander auf demselben Feld angebaut. Stattdessen wird er immer im Abstand von mindestens drei Jahren in einer typischen Fruchtfolge mit Weizen und Wintergerste kultiviert. Als sogenannte Monokultur kann Raps daher nicht angebaut werden.
Quellenangabe: „obs/UFOP e.V./Dietrich Habbe“