Der Sommer steht in den Startlöchern. Und mit ihm beginnt die Grillsaison. Die Situation ist so bekannt wie beliebt: Der Hausherr lädt zur Grillparty, ausgelassene Stimmung, die Gäste haben Bier und Salate mitgebracht, die Brötchen sind aufgeschnitten und der Gastgeber steht stolz am Grill und brutzelt Würstchen, Steaks oder Rippchen. Der Geruch von verbrutzelndem Fett hängt in der Luft und lässt den hungrigen Gästen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Eine altbekannte Sommeridylle, die wir von kleinauf so kennen und lieben gelernt haben.
Und während die ersten Gäste ihre Zähne in das saftige Fleisch schlagen und die anderen noch mit ihren Tellern am Grill anstehen, fällt ein Satz, der vielen auf Anhieb den Appetit verschlägt: „Sorry, ich bin Veganer.“ Dem Grillmeister stehen plötzlich Schweißperlen auf der Stirn, die nicht alleine von der Sonne oder den heissen Kohlen stammen. Manche Gäste rollen genervt mit den Augen, andere starren betreten auf ihre Bratwurst und der ein oder andere betrachtet den Veganer wie ein exotisches Tier. Es wird getuschelt, Witze über Veganer machen die Runde und Fragen werden gestellt, die mehr aus moralischer Verlegenheit als aus echtem Interesse stammen.
Während der außergewöhnliche Gast also verzweifelt vor dem Salatbuffet steht und versucht, zwischen Mayonnaisedressings und Vollei-Nudelsalaten irgendetwas zu finden, das keine tierischen Produkte enthält (Da hinten liegt noch eine Wassermelone!), schneidet der Gastgeber schnell eine Paprika auf und wirft sie mit auf den Grill, um den Veganer zu füttern. Doch als dieser beim betrachten der Paprika, die dort schön auf den fettverschmierten Gitterstäben neben den Steaks vor sich hinschmort, dankend ablehnt, platzt auch dem Hausherrn der Kragen.
Was folgt ist der übliche Hohn und Spott, die Witze und Ausgrenzung, die jeder Veganer in der Gesellschaft von Karnivoren ausgesetzt wird. Das Wissen des Veganers, daß dieses Verhalten hauptsächlich von einem schlechten Gewissen stammen, hilft in einer solchen Situation eher wenig. Er fühlt sich unwillkommen und wird sich bei der nächsten Grillparty dreimal überlegen, ob er kommt.
Andere Situation. Wieder eine Grillparty, alles läuft genau so ab, wie bei der ersten. Mit einer Ausnahme: Als die Gäste den ersten Schwung Grillgut leidenschaftlich konsumiert haben und nach mehr verlangen, erklärt der Grillmeister süffisant, daß alles, was an diesem Tag vom Grill kam, vegan war. Die Verblüffung ist jedesmal köstlich. Von positivem Erstaunen bis wütenden Fleischfetischisten ist das ganze Spektrum menschlicher Emotionen vorhanden. Was eben die meisten Grill-Fans nicht realisieren: Es geht auch ohne Fleisch.
In Deutschland hat sich der Fleischkonsum in den letzten 40 Jahren mehr als verdreifacht. Jeder Bundesbürger verzehrt im Jahr im Durchschnitt rund 59 kg Fleisch. Hinzu kommt, daß ein zusätzliches Drittel Fleisch im Mülleimer landet. 85% der Bevölkerung essen nach wie vor fast jeden Tag Fleisch. Gründe, den eigenen Fleischkonsum wenigstens zu reduzieren, gibt es genug. Die Fleischproduktion macht global gesehen etwa 18% der CO2 Produktion aus und trägt damit massiv zur Klimaerwärmung bei, hinzu kommen enorme Mengen des Treibhausgases Methan und die Emissionen aus der Futtermittelproduktion und dem Transport. Durch die zur Produktion eingesetzte industrielle Massentierhaltung, damit das Fleisch zu Spottpreisen in den Regalen der Discounter liegen kann, wird immer noch massiv Antibiotika eingesetzt, was zu einer hohen Belastung an multiresistenten Keimen führt. Beispielsweise hat der BUND auf 88 Prozent bei Discounter gekauften Putenfleisch-Proben diese antibiotikaresistenten Keime gefunden.
Massentierhaltung
Wenn wir von Grillfleisch sprechen, dürfen wir von der industriellen Massentierhaltung und dem Lebewesen „Nutztier“ nicht schweigen. Die meisten von uns kennen die Bilder aus den Mastställen, den Schlachthöfen und den Tiertransportern, welche tagtäglich auf deutschen Autobahnen unterwegs sind. Es ist eine psychologische Meisterleistung, diese Bilder beim Verzehr der geliebten Bratwurst ausblenden zu können. In den Medien jagt beim Thema Massentierhaltung ein Skandal den Nächsten. Tiere werden nicht mehr als Lebewesen angesehen, sondern als seelenlose Ware, ohne Gefühle und ohne Rechte. Hätte z.B. jedes Tier einen eigenen Namen, würde uns Verbrauchern wohl schnell der Appetit vergehen. Wer würde schon gerne beim Grillen gefragt: „Möchtest du lieber ein Würstchen von Rosi oder ein Steak von Heidelinde?“ Es steht ausser Frage, daß wir mit jeder Bratwurst einem Tier entsetzliches Leid zufügen, für unseren eigenen Genuss.
Die Alternative
Möglichkeiten, den Fleischkonsum zu verringern oder sogar ganz abzustellen gibt es mittlerweile reichlich. Der Fleischgeschmack, an den wir uns gewöhnt haben, kommt hauptsächlich von den eingesetzten Gewürzen, von Fett und Salz. Als Alternativen dienen heutzutage Tofu oder Tempeh aus Soja, Saiten aus Weizenproteinen, Süßlupinen, verschiedene Getreidezubereitungen, Bohnen, Linsen, Quinoa oder die immer beliebter werdende Jackfruit. Aus all diesen Alternativen können Produkte hergestellt werden, die aussehen wie Fleisch, die gleiche Konsistenz haben wie Fleisch und schmecken wie Fleisch. Jeder Supermarkt hat zumindest einige dieser Produkte im ständigen Sortiment. Das Netz ist voll von fantastischen Rezepten für das normale Abendessen und auch für die vegane Grillparty.
Hält man sich all diese Punkte vor Augen, und das waren bei weitem nicht alle, gibt es keinen Grund mehr, seine Freunde nicht mal mit einer veganen Grillparty zu überraschen. Vegane Ernährung leidet leider immer noch unter vielen Vorurteilen und die Mehrheit der Menschen scheut sich davor, die eigenen Gewohnheiten aktiv zu hinterfragen. Daß dies aber möglich ist, ohne im Geringsten auf etwas zu verzichten, sollte uns zu denken geben.
Probieren Sie es doch einfach mal aus, es lohnt sich.